Die Angst vor der Bauchentscheidung
Angelika BalloschBusiness Coaching, Führungskräfte-Coaching, Systemisches CoachingZum ProfilWürden Sie zu Ihrem Chef gehen, ihm eine Strategie präsentieren und diese begründen mit „Das habe ich intuitiv so entschieden.“? Nein. Denn wenn die Strategie nicht greift, stehen sie in der Verantwortung und haben keine Fakten in der Hand, die Entscheidung zu belegen.
Jetzt können Sie natürlich versuchen, Ihr Bauchgefühl mit Fakten zu belegen, nach Statistiken suchen und sich die passenden Zahlen heraussuchen. Oder eine Beratungsfirma engagieren, die diese Strategie auf 200 Powerpointseiten als eine faktenbasierte Entscheidung begründet. Beides ist Verschwendung von Zeit und Geld. Wahrscheinlich aber gehen Sie in die Defensive und präsentieren eine Abwandlung der Strategie aus dem letzten Jahr („das haben wir schon immer so gemacht“). Mit diesem Vorgehen befinden Sie sich in bester Gesellschaft. (Aber auch diese Entscheidung kann sehr teuer werden, weil sie wahrscheinlich nicht mehr zeitgemäß ist).
Dabei ist Intuition so wertvoll. Warum?
Weil sie uns schneller und souveräner im Handeln macht. Intuition ist gefühltes Wissen. Das Ziel ist dabei im Bewusstsein, die Begründung nicht. Und Intuition und das Managen dieser unsichtbaren Macht kann man trainieren! Intuitionen beruhen in der Regel darauf, dass Menschen sehr viel Erfahrung in einem Bereich haben. Die intuitiven Regeln sind ihnen aber nicht bewusst. Gerd Gigerenzer beschreibt in seinem Buch „Bauchentscheidungen“ so wunderbar das Beispiel der Blickheuristik, bei der alle erforderlichen Informationen zur Berechnung der Wurfbahn beiseite gelassen werden und somit schnelles Handeln ermöglicht wird: der Basketballspieler läuft los, fokussiert den Ball und „schätzt ab“ – aufgrund seiner Erfahrung, seinem Widererkennungsgedächtnis, seinem Vermögen, bewegte Objekte mit den Augen zu verfolgen, ein Gefühl für Windgeschwindigkeit und Flugbahn zugrunde legend. Luftfahrtgesellschaften nutzen genau diese Heuristik und trainieren damit. In einer Notsituation wie dem „Wunder vom Hudson River“, wo die Piloten abschätzen mussten, ob sie es zurück zum Flughafen schafften, wird diese Heuristik eingesetzt. Diese Piloten fixieren den Tower an einem Punkt auf der Frontscheibe. Bleibt der Tower auf dieser Position oder sinkt er im Fenster, so kann der Flughafen erreicht werden. Geht die Position des Towers auf der Scheibe nach oben, dann schafft der Pilot es nicht, den Flughafen zu erreichen und muss Alternativen angehen. (Beispiel aus: Gerd Gigerenzer: „Bauchentscheidungen“).
Es gibt allerdings noch ein weiteres Problem mit der Intuition, welches gleichzeitig die Lösung sein könnte:
Intuitive Entscheidungen basieren auf der Erfahrung des Individuums. Man muss also immer hinterfragen, unter welchen Voraussetzungen und Erfahrungen das Individuum diese intuitive Entscheidung getroffen hat. In welchem Rahmen wurde die intuitive Kraft ausgebildet? Und ist diese unter den sich ständig ändernden Rahmenbedingungen noch aktuell? Ein besserer Ansatz wäre, intuitive Entscheidungen im Team zu sammeln. „Die kollektive Intuition“ als Ergebnis: wenn ich die Entscheidung über VIELE abbilden kann, bin ich relativ nah an den realen Rahmenbedingungen dran.
Am Ende des Tages bleibt ein Restrisiko. An dieser Stelle empfehle ich die Anwendung von Entscheidungslogiken wie Effectuation, welche Unsicherheiten managen und das Risiko minimieren. Da in heutigen Zeiten jeder Budgetverantwortliche einen Topf für Risiken und Innovationsmanagement bilden sollte, kann das Risiko abgedeckt werden. Mal abgesehen davon: ich bin selbst ein starker Verfechter von Bauchentscheidungen und halte das Risiko zu Scheitern für eher gering. Und das ist nicht nur ein Bauchgefühl, sondern ein Erfahrungswert.