Neustart als Middle-Ager? Warum 45 plus das ideale Alter für die Unternehmensgründung ist
Sabine VottelerGründungscoaching, Business Coaching, Karriere/ Skills-CoachingZum ProfilGründer mit grauen Schläfen entsprechen nicht dem Stereotyp, doch Sie sollten nicht die Vorteile unterschätzen, die das fortgeschrittene Alter mit sich bringt. Erfahrung ist ein solides Fundament. Und richtig genutzt bedeutet das, dass Sie bei einer Neugründung sozusagen aus der Pole-Position starten und mit den Möglichkeiten und Methoden aus der Startup-Welt den Turbo zuschalten können.
Innovation versus Expertise
Als Attribute für Gründer und Startups zählen Innovation und Unvoreingenommenheit. Startups fordern Konventionen heraus und hinterfragen den Status Quo. Den „alten Hasen“ wird Erfahrung zugeschrieben – nicht immer als Vorteil. Wer Dinge schon immer in einer bestimmten Art und Weise macht oder sieht, der hinterfragt angeblich nicht mehr. Aber stimmt dieses Vorurteil?
Ich sehe das anders: Gerade ab Mitte 40 wird häufig plötzlich alles auf den Prüfstand gestellt und das Hinterfragen geht so richtig los. Grund hierfür sind meistens Veränderungen im Umfeld, aber auch einfach die Tatsache, dass vielen jetzt zum ersten Mal bewusst wird, dass das Leben endlich ist. Und dieses Hinterfragen unseres Daseins schubst uns in eine Situation, wo wir trotz aller Erfahrung vieles über Bord werfen, kreativ werden und Neues lernen müssen. Es ist ein anderes Hinterfragen und eine andere Qualität von Kreativität. Sie ist reflektierter.
Und gerade aufgrund unserer Erfahrung können wir jetzt auf einmal Zusammenhänge erkennen, die wir vorher nicht gesehen hätten. Die Lebenserfahrung und die Expertise kombiniert mit neuen Dingen, die wir lernen, verstärkt unsere Fähigkeit, verschiedene Dinge zu verknüpfen, die vorher nicht verknüpfbar schienen.
„Nichts zu verlieren“ versus „alles aufs Spiel setzen“
Die jungen Akademiker, die sich heute direkt nach dem Studium mit einem Startup selbständig machen, sind zu beneiden. In meiner Generation war das undenkbar. Unser Weg war klar vorgezeichnet: Wer ambitioniert war, stieg nach dem Studium in einem guten Unternehmen in einer erfolgversprechenden Position ein und arbeitete sich die Karriereleiter empor. Das war einfach angesagt und erstrebenswert. Es gab keine „Startups“, es gab nur „handfeste“ Firmen. Und eine solche zu gründen, war kompliziert und mit Investitionen und hohen Risiken verbunden.
Heute sind die Möglichkeiten wesentlich vielfältiger. Und wer direkt nach dem Studium selbständig wird, hat noch niedrige finanzielle Ansprüche, weil in der Regel keine Verpflichtungen.
Bei älteren Berufstätigen hingegen steht mehr auf dem Spiel. Das Risiko ist höher, wenn das Einkommen längere Zeit ausbleibt. Eine Karriere aufzugeben, bedeutet nicht nur finanzielle Einbußen, sondern führt auch dazu, einen Titel, Ansehen, Einfluss oder den Dienstwagen zu verlieren. Das hat auch Konsequenzen für die Familie. Oft kommen Widerstände aus dem direkten Umfeld, meist von denen, die es gut meinen. Die „neuen, vermeintlich absurden“ Gedankengänge können häufig nicht nachvollzogen werden.
Das macht die Situation aber nicht unbedingt schlechter, sondern sogar besser. Die besseren Entscheidungen trifft man gerade wenn man etwas zu verlieren hat! No pain, no gain. Und wer nicht bereit ist, ein Risiko einzugehen oder Opfer zu bringen, der steht einfach nicht voll hinter der Sache.
Agilität versus Erfahrung
Startups sind klein, schnell und flexibel. Sie sitzen in Coworking-Spaces oder arbeiten virtuell, meist in Teams mit gleichberechtigten Mitgliedern mit demselben Drive und derselben Leidenschaft für die gemeinsame Sache, die das Team motiviert und zusammenschweißt. Alles passiert in atemberaubender Geschwindigkeit, mit Hilfe neuer Technologien, zu denen die Digital Natives einen wesentlich einfacheren Zugang haben als die Babyboomer.
Doch was geschieht, wenn die Dinge nicht planmäßig laufen, unerwartete Schwierigkeiten auftauchen oder Verzögerungen eintreten? Was, wenn Design Thinking und Agile an ihre Grenzen stoßen und Planung, Strukturen, Führung und Controlling gefragt sind? Für diese Fälle ist es gut, wenn ein Business-Angel mit Rat und Tat und v.a. „Erfahrung“ zur Seite steht – was jungen Gründern naturgemäß fehlt.
Wenn eine erfahrene Führungskraft gründet, sind diese Optionen im „Start-Paket“ bereits inklusive. Was sie mitbringt ist nicht nur ihre fachliche Expertise, sondern wertvolle Qualitäten, die im ersten Moment eher „unspektakulär“ wirken mögen, letztendlich jedoch für Wachstum und Erfolg ausschlaggebend sind. Kenntnisse der Branche und des Marktes, persönliche Kontakte, Führungserfahrung sind nur einige. Sie hat schon viele Entscheidungen getroffen, Durchhaltevermögen und Souveränität bewiesen, Herausforderungen gemeistert und daraus gelernt.
Die Power liegt in der Kombination
Eine gute Idee und ein ambitionierter Start sind einerseits die Zündschnur, reichen aber nicht aus, um das Feuer am Brennen zu halten. Andererseits sind Erfahrungen wertvoll, beruhen aber auf der Vergangenheit, die heute teilweise schon überholt ist, kaum dass wir sie erlebt haben.
Deshalb kombinieren Sie das Beste aus beiden Welten: Bleiben Sie „hungrig“ und lernen Sie täglich. Machen Sie sich diejenigen Fähigkeiten aus der Startup-Welt zunutze, die für Sie einen Mehrwert darstellen. Setzen Sie noch eins oben drauf – mit Ihrer Erfahrung – und nutzen Sie Online-Marketing. Mit diesem Power-Cocktail werden Sie unschlagbar.
Wer die Karriereleiter bis zur Spitze empor geklettert ist, alles erreicht hat, was er sich vorgenommen hat und jetzt feststellt, dass er immer noch nicht zufrieden ist, dem sei gesagt: Sie sind in guter Gesellschaft. Und weil das Leben ohne Ziele keinen Sinn macht, kommt irgendwann unweigerlich die Frage: Was kommt jetzt als nächstes?
Meine 4 Empfehlungen für Ihren „next Level“:
– Unternehmer-Bausteine: Werden Sie sich Ihres Potenzials, also Ihrer eigenen „Designelemente“ für Ihr ganz individuelles Business bewusst.
– Experten-Status: Überlegen Sie, wie Sie Ihre Expertise positionieren und vermarkten können.
– Second Circle: Bauen Sie einen 2. Kreis auf, außerhalb Ihres bisherigen Netzwerks. Familie und Freunde sind bei einer tiefgreifenden beruflichen Veränderung die falschen Ratgeber.
– Coaching und Beratung: Der Blick und der notwendige Anschub von außen ist das entscheidende Erfolgselement für alle, die in der Mitte ihres Lebens weder Zeit noch Geld für unnötige Umwege haben.