Bloß nicht „aber“ sagen! Warum solche Rhetorik-Tipps Quatsch sind
Wer kennt sie nicht? Die zahlreichen Tipps, Tricks und Regeln rund um „gute Kommunikation.“
Dank Isabel Garcías Werk “Die Bessersprecher. Abschied von den größten Kommunikationsirrtümern” lernen wir, welche dieser Tricks wir ganz schnell wieder vergessen sollten. Isabel García – führende Kommunikationsexpertin Deutschlands und bekannte Podcasterin – schreibt den idealen Ratgeber für alle, die gerne gut kommunizieren möchten. In Kooperation mit dem Campus-Verlag veröffentlicht das XING Coaches + Trainer-Magazin folgenden Auszug – erfahren Sie hier von Isabel García, warum es gute Gründe gibt, ein „Aber“ zu verwenden.
Erstens nutze ich das »Aber«, um einen negativen Satz zu relativieren. Zum Beispiel: »Die Deutschen sind viel zu regelverliebt, aber einige Regeln ergeben durchaus Sinn.« Meine allgemeine negative Aussage wird durch das »Aber« entschärft. Zweitens nutze ich es auch als Humor, wenn ich einem Zuschauer augenzwinkernd sage: »Es ist ja schön, dass Sie sich in die erste Reihe gesetzt haben, aber können Sie Ihrem Gesicht mal Bescheid geben, dass Sie Spaß haben?« Diese Art von Humor grenzt, wenn ich es nicht sofort auflöse, an aggressiven Humor und wird von mir äußerst selten eingesetzt. Meistens bei Menschen, die ich gut kenne und die sofort verstehen, dass mein Satz ironisch gemeint ist.
Drittens nutze ich das »Aber«, wenn ich zwei gleichwertige Punkte gegeneinander abwäge: »Ich hätte jetzt Lust, auf dem Sofa zu liegen, würde aber auch gerne mit dem Hund rausgehen.« Da schwäche ich nichts ab, sondern überlege vielmehr, was ich nun lieber tun würde. Zeige mit den zwei Optionen den Zwiespalt auf. Ich will hier kein Plädoyer für das »Aber« halten, sondern nur darauf hinweisen, dass ein »Aber« nicht generell böse ist. Die Entscheidung, ob Sie das Wort nutzen oder nicht, liegt bei Ihnen. Und falls Sie es doof finden, dann benutzen Sie es nicht.
Es gibt viele Möglichkeiten, das A-Wort wegzulassen. Sie können »und gleichzeitig« sagen: »Ich hätte jetzt Lust, auf dem Sofa zu liegen, und gleichzeitig würde ich gerne mit dem Hund rausgehen.« Oder Sie sagen nur »und«: »Ich hätte jetzt Lust, auf dem Sofa zu liegen und würde gerne mit dem Hund rausgehen.« Beide Versionen erklären das Dilemma der Entscheidungsfindung genauso gut wie die Variante mit »aber«. Manchmal habe ich allerdings das Gefühl, dass ein »Und« nicht genau das ausdrückt, was ich sagen möchte. Um beim eben genannten Beispiel zu bleiben: »Die Deutschen sind viel zu regelverliebt, und einige Regeln ergeben durchaus Sinn.« Häh? Der Satz drückt nicht das aus, was ich sagen möchte. Darüber hinaus klingt er für mich sperrig, und ich würde ihn in einem Buch wahrscheinlich zwei oder sogar drei Mal lesen, um ihn zu verstehen. Da funktioniert »und gleichzeitig« einen Hauch besser, doch wird dadurch wieder die Aussage verändert: »Die Deutschen sind viel zu regelverliebt, und gleichzeitig ergeben einige Regeln durchaus Sinn.« Was noch gerne genutzt wird als Aber-Ersatz: »gleichwohl« und »sowohl, als auch«. Probieren wir diese beiden Formulierungen auch noch aus: »Die Deutschen sind viel zu regelverliebt, gleichwohl ergeben einige Regeln durchaus Sinn.« Damit kommen wir der Originalaussage schon näher. Letzte Variante: »Es stimmt, dass die Deutschen sowohl viel zu regelverliebt sind, als auch dass einige Regeln durchaus Sinn ergeben.« Fragen Sie mich nicht, wie lange ich gebraucht habe, um diesen Satz zu kreieren. Ist sicherlich Übungssache, und doch bleibe ich in solchen Fällen gerne beim »Aber«, damit ich genau das ausdrücken kann, was ich sagen möchte.
Es gibt allerdings einige Situationen, wo ich strikt das »Aber« vermeide: bei Feedback- und Konfliktgesprächen. Dort wähle ich penibel jedes Wort aus, weil wir in emotionalen Situationen dazu neigen, einzelne Aussagen auf die Goldwaage zu legen. Da will ich mit einem »Aber« kein Öl ins Feuer gießen. Sie hören doch schon am Anfang eines Satzes, ob jemand »aber« sagen will oder nicht. Ich erinnere mich an eine Diskussion mit einem Freund. Wir waren komplett anderer Meinung und wollten trotzdem beide ganz ruhig und sachlich darüber reden. Er setzte an, ließ das Ende des Satzes in der Luft schweben, und ich fragte dann: »Aber?« – »Kein Aber … und gleichzeitig denke ich, dass du dieses Projekt für dich angehen solltest.« In solchen Momenten frage ich mich, wo der Unterschied zwischen »aber« und dem hochgelobten »und gleichzeitig« ist. Wenn jemand »aber« denkt, ein »Aber« meint, das Gegenüber auch weiß, dass es hier um »aber« geht, dann klingt »und gleichzeitig« nur wie eine schlecht sitzende Karnevalsmaske, die über das »Aber« gestülpt wird.
Wie wäre es, wenn wir das »Aber« von der Strafbank holen und es hier und da mal nutzen? Auf eine wertschätzende Art und Weise. Natürlich nur, wenn Sie Lust dazu haben.
Sie möchten gerne weiterlesen? Das Buch “Die Bessersprecher. Abschied von den größten Kommunikationsirrtümern” von Isabel García im Oktober 2018 im Campus-Verlag erschienen. Weitere Informationen hier.