Burn-out – erste Anzeichen erkennen und Stress vermeiden
Erschöpfungszustände, Stress und Antriebslosigkeit – die ersten Anzeichen eines Burn-outs entwickeln sich schleichend und meistens über Jahre. Sie früh zu erkennen und die eigene Motivation wieder zu fördern, sind für viele Betroffene die größten Herausforderungen. Denn Burn-out ist heute längst nicht mehr nur Führungskräfte- und Managersache.
Katharina Straesser arbeitet als ganzheitliche Burn-out-Therapeutin in eigener Praxis. In der burnout akadmie Straesser gibt sie ihr Wissen an andere weiter. XING Coaches sprach mit ihr über dieses komplexe Thema und die ersten Anzeichen einer Überforderung.
XING Coaches: Hallo Frau Straesser, wie ist die Definition eines Burn-outs?
Katharina Straesser: Burn-out ist nicht als Krankheit anerkannt und somit gibt es keine allgemein gültige und einheitliche Begriffsdefinition. Der Interpretationsraum ist groß. In der Literatur sind bis zu 160 unterschiedliche Symptome genannt, die bei Burn-out auftreten können. Dadurch ist es nachvollziehbar, dass eine klare Definition eine große Herausforderung darstellt.
Im ersten Schritt geht es darum, herauszufinden, in welchem Bereich sich eine Person befindet. Betrachten wir zuerst den Bereich der „Herausforderung“. Dieser ist gekennzeichnet von sehr viel positivem Stress. Die Ziele sind klar und herausfordernd. Die Erfolgserlebnisse werden als motivierend und stärkend empfunden. Es entsteht ein Energieschub – man genießt häufig einen Zustand des „Flows“.
Der nächste Bereich ist die „Überforderung“. Bildlich gesprochen ist dieser Bereich vergleichbar mit einem Hamster im Laufrad. Die Herausforderungen sind schwerlich zu bewältigen, der Erfolg bleibt oft aus. Frustration gewinnt die Oberhand. Eine Aufgabe jagt die nächste. Am Ende des Tages ist eine Entspannung fast nicht möglich. Körperliche Symptome treten auf.
Von einem Burn-out spreche ich erst, wenn der Betroffene keine Kraft mehr hat. Meist können die beruflichen Tätigkeiten nicht mehr ausgeübt werden. Kraft und Energie fehlen manchmal sogar für einfache Tätigkeiten im Haushalt oder gar für die Körperpflege.
XING Coaches: Wie können sich die körperlichen Symptome äußern?
Katharina Straesser: Die körperlichen Symptome können sich von A wie Appetitlosigkeit bis Z wie Zähneknirschen äußern. Besonders häufig sind Schlafstörungen, Müdigkeit, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden anzutreffen. Oft wird der Betroffene vom Arzt gründlich untersucht, aber keine Ursache gefunden. Dann heißt es: psychosomatische Beschwerden. Viele Symptome sind bereits im Bereich der Herausforderung zu finden und belasten unser Stressempfinden zusätzlich.
XING Coaches: Wenn ich mich in der Überforderung befinde, wie kann ich mich vor dem Burn-out bewahren?
Katharina Straesser: Im Bereich der Überforderung geht es um das Thema Eigenverantwortung. Den Chef, die Kollegen und die Arbeitsumgebung kann man nicht ohne weiteres verändern. Deshalb empfehle ich, bei sich selbst zu beginnen:
– gesunde, vor allem vitaminreiche Ernährung
– die Mittagspause tatsächlich auch als Pause nutzen
– Ausdauersport – dreimal pro Woche 30 Minuten oder aber spazieren gehen, Treppe statt Fahrstuhl benutzen, das Auto bewusst etwas weiter weg parken, …
– Entspannungstechniken erlernen und täglich mehrfach praktizieren
– Auszeiten nehmen – auch wenn es nur für eine Stunde ist
– Aufgaben gewichten, d.h. 80/20-Regel anwenden, delegieren, oder unwichtiges komplett in den Papierkorb befördern
– überlegen was einem selbst gut tut, und sich dieses „Gute“ regelmäßig zukommen lassen.
XING Coaches: Was versteht man unter dem sogenannten „Wochenend-Burn-out“?
Katharina Straesser: Häufig beobachte ich Menschen mit einem „Wochenend-Burn-out“. Von Montag bis Freitag geben diese Menschen alles in ihrem Job und auch für ihre Familie. Am Wochenende fallen sie fast in sich zusammen, ziehen sich von allen zurück, sind kraftlos und liegen schlimmstenfalls mit Migräne im Bett. Eine Regeneration erfolgt gerade soweit, dass sie am Montag wieder von vorne beginnen können. In diesem Fall ist unbedingt Handlungsbedarf gegeben. Eine Stunde Auszeit pro Woche reicht nicht mehr aus.
XING Coaches: Können Chefs denn etwas tun, damit die Mitarbeiter gesund bleiben?
Katharina Straesser: Eine große und wichtige Aufgabe der Führungskraft ist die Mitarbeitermotivation. Führungskräften sollten sich intensiv mit diesem Thema beschäftigen. Zahlreiche Studien belegen eindeutig, dass schlechter Führungsstil Auswirkung auf die Gesundheit der Mitarbeiter hat.
Falls ein Mitarbeiter in die Erschöpfungsspirale gerät, sollte die Führungskraft / das Unternehmen bereits einen Plan zur Auflösung dieser Spirale haben. Manche Unternehmen stellen hierzu z. B. speziell geschulte Ansprechpartner innerhalb oder außerhalb des Unternehmens bereit. Um bei Bedarf die richtigen Maßnahmen ergreifen zu können, muss eine Überlastung aber auch erkannt werden. Deshalb ist die Sensibilisierung der Führungskräfte ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit.
XING Coaches: Gibt es Burn-out auch im Studium?
Katharina Straesser: Burn-out ist eine langfristige Überforderung des Systems „Mensch“ (Körper, Geist und Psyche). In der Regel sind Menschen betroffen, die 40 Jahre oder älter sind. Studenten sind normalerweise deutlich jünger. Sie empfinden allerdings häufig viel Stress. Dazu können Versagensängste vor Prüfungen auftreten. Leistungsdruck, hohe Erwartungen an sich selbst, Perfektionismus und Reizüberflutung sind weitere Gefährdungsfaktoren. Über einen längeren Zeitraum hinweg vorhanden, können diese auf jeden Fall auch bei jüngeren Menschen zum Zusammenbruch führen.
Man muss auch hier genau genau hinschauen: steckt eine Angsterkrankung, eine Depression oder eine andere Erkrankung hinter den Symptomen?
XING Coaches: Gibt es bei weiblichen Klienten Besonderheiten zu beachten?
Katharina Straesser: Kommen junge Frauen mit Burn-out-Beschwerden in meine Praxis, prüfe ich auch, ob die Symptome mit hormonellen Dysbalancen im Zusammenhang stehen können. Hormonelle Verhütungsmethoden können z.B. für Burn-out-Beschwerden verantwortlich sein.
Bei jungen Menschen können zudem der Konsum von Alkohol, Drogen, Energydrinks und einseitigem Fastfood eine Rolle spielen.
Um Ihre Frage zu beantworten: ja, Burn-out kann es auch bei Schülern und Studenten geben. Die Erholung oder Regeneration funktioniert in jungen Jahren allerdings viel schneller als bei älteren Menschen.
XING Coaches: Und was ist der Unterschied zwischen Depression und Burn-out?
Katharina Straesser: Bei Depressionen handelt es sich um einen klar definierten Symptomenkomplex. Folgende Kriterien werden dabei zugrunde gelegt:
Leitsymptome:
1. depressive Stimmung,
2. Interessen- und Freudlosigkeit,
3. hohe Ermüdbarkeit
Nebensymptome:
1. verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit,
2. Schuldgefühle und Gefühl der Wertlosigkeit
3. negative Zukunftsperspektive
4. Suizidgedanken
5. verminderter Appetit
6. Schlafstörungen
Bereits zwei Leitsymptome und zwei Nebensymptome über einen Zeitraum von nur zwei Wochen rechtfertigen die Diagnose einer Depression. Daraus resultierend hat jeder, der sich in der Überforderung oder im Burn-out befindet, auch eine Depression. Die Abklärung durch einen Arzt ist zwingend erforderlich.
Der Umgang mit der Diagnose „Burn-out“ ist für viele Betroffene einfacher als seine Probleme mit einer Diagnose „Depression“ zu begründen.
Wird bei einem Patienten eine Depression festgestellt und die medikamentöse und psychologische Therapiemaßnahmen zeigen Wirkung, bleibt es bei der Diagnose. Helfen diese nicht, spricht man bevorzugt von Burnout.
XING Coaches: Wie verhält man sich richtig im Beruf bei erkanntem Burn-out? Gehe ich zum Chef?
Katharina Straesser: Arbeitnehmer, die im Falle von Burn-out den Vorgesetzten über ihr Burn-out informieren, erfahren häufig Unterstützung und Verständnis. Jedoch berichten mir Patienten leider auch immer wieder, dass sie in der Zeit nach ihrer Genesung bei Beförderungen nicht mehr berücksichtigt werden.
Betroffene im Bereich der Überforderung oder des Burn-out möchten ihrem Vorgesetzten den Grund ihrer Krankschreibung oft ehrlich mitteilen. Meine Empfehlung ist allerdings nicht zu früh mit der Führungskraft zu sprechen. Besteht das Bedürfnis sich zu „outen“ nach zwei oder drei Wochen Krankschreibung nach wie vor, dann spricht aus meiner Sicht nichts dagegen. Wichtig ist, nichts zu überstürzen und pro und contra genau abzuwägen.
Viele Unternehmen verfügen bereits über externe Netzwerke oder interne Ansprechpartner für betroffene Mitarbeiter.
Fazit: Offenheit kann sich lohnen, muss aber nicht. Hier muss der Betroffene individuell entscheiden.
XING Coaches: Welche Berufe sind besonders gefährdet?
Katharina Straesser: Jeder Arbeitnehmer ist gefährdet, wenn er langfristig gegen seine persönlichen Werte, Überzeugungen und Persönlichkeitsstruktur agieren muss.
Wenn ich diese Frage auf Persönlichkeitstypen beziehe, dann kann ich konkreter sagen, dass introvertierte, sensible Menschen, mit einem großen Bedürfnis nach Sicherheit und Perfektion am häufigsten betroffen sind. Dies ist aus meiner Sicht, unabhängig von bestimmten Berufsgruppen.
XING Coaches: Wie entwickelt sich die Krankheit?
Katharina Straesser: Die Entwicklung eines Burnouts kann sich über mehrere Monate oder auch Jahre erstrecken. Die Ursachen sind in der Regel nicht nur im beruflichen oder privaten Bereich zu finden, sondern sie sind multifaktoriell. Auch der körperliche Zustand eines Menschen spielt eine Rolle. Häufig ist die Veränderung ins Negative schleichend.
Typischerweise reicht während einer langen Phase der chronischen Überforderung ein vermeintlich kleiner Stressor (z. B. eine Erkältung, o. ä.) aus, um in ein Burn-out zu fallen.
XING Coaches: Wie kann man einem Burn-out vorbeugen?
Katharina Straesser: Es gibt keine allgemeingültige Aussage dafür, weil Menschen unterschiedlich sind. Präventivmaßnahmen sollten abhängig vom individuellen Persönlichkeitstypen ausgewählt werden. Generell können gefährdete Menschen
– über eigene Ziele, Wünsche und Bedürfnisse nachdenken
– die eigenen Grenzen erkennen und akzeptieren (unabhängig von den Grenzen Anderer)
– Perfektionismus und Überengagement vermeiden
– ausreichend Ruhephasen einplanen
– Erfolge feiern, Misserfolge ignorieren
– das Leben auf mehrere Säulen stellen (Beruf, Familie, Freizeit)
– Zeit für Familie, Freunde und Bekannte reservieren
– verstehen lernen, wie unser Körper funktioniert
– Krisen als Chance für Veränderung benutzen.
Hier erfahren Sie mehr über Katharina Straesser