Sechs Gründe, warum Sie Ziele hinterfragen sollten
Thomas PöhlmannBusiness Coaching, Systemisches Coaching, Teamentwicklung, Führungskräfte-CoachingFührungskräftetraining, Lerntechniken, Moderationstraining, Persönlichkeitstraining, Train the TrainerZum Profil
Kennen Sie das: Sie möchten mehr Kraft haben für Ihre Ziele? Oder Sie müssen im Job weiterkommen, glauben aber, zu wenig Energie zu investieren? Business Coach Thomas Pöhlmann erklärt, warum Sie Ihre Ziele immer hinterfragen sollten, bevor Sie womöglich die falschen verfolgen.
Eine ganze Industrie lebt davon, uns einzureden, wir bräuchten nur ein klares und „smartes“ Ziel vor Augen zu haben, das mit Entschlossenheit zu verfolgen und dann würden wir sehen, wie sich unser Leben zum Besseren ändern werde. Führungskräfte sollten dabei die Visionen des Unternehmens durch Zielvereinbarungen auf Ihre Mitarbeiter übertragen. Schließlich fördere dies die Selbständigkeit und Kreativität, vermindere den Kontrollaufwand und passe besser in die digitale Welt. Doch verfolgen Sie eigentlich die für Sie richtigen Ziele? Eine Hinterfragung lohnt sich:
1. Benutzen die Ziele Ihren inneren Antrieb?
Es gibt oft einen Unterschied zwischen dem wie Sie sind – und dem wie Sie sein wollen oder der Meinung Ihrer Umwelt nach sein sollten. Das projizierte Selbstbild „So möchte ich sein“ macht sich zunächst gut. Gleichzeitig sagt es uns aber auch, jetzt und hier eben noch nicht richtig gut zu sein und impft uns damit ein Mangelgefühl ein, das sich verstärkt, wenn wir das Ziel nicht erreichen. Dann haben wir uns eben folgerichtig nicht genug angestrengt und wir wollen nicht als Verlierer oder „Low Performer“ dastehen: daher also flugs her mit dem nächsten Ziel, bzw. der nächsten Maßnahme.
Manche Unternehmen verstehen es, dies als Unterstützung umzuformulieren, wie zum Beispiel: „Dieses Jahr haben Sie Ihre vereinbarten Vertriebsziele knapp verfehlt, aber gern unterstützen wir Sie weiterhin auf Ihrem Weg zum Top-Vertriebsmitarbeiter; sicher haben Sie sich da ja auch schon Gedanken gemacht.“
Dem Aufbau subtiler Hamsterräder ist damit Vorschub geleistet.
2. Sind das tatsächlich Ziele?
Ziele wie „Mit mir wurde als Ziel vereinbart, jeden Monat 14 Werbeartikel zu schalten“, oder „Ich habe das Ziel, wöchentlich 12 Kundenbesuche zu machen“, sind keine echten Ziele, sondern lediglich in Ziele umformulierte Arbeitsaufgaben, die Sie womöglich als vermeintliche Zielsetzung für sich übernehmen. Der Trick: Wenn Sie an „Ihren Zielen“ scheitern, so haben Sie selbst versagt – und können nicht die Organisation verantwortlich machen, die Ihnen zu viel Arbeit angewiesen hat.
3. Was hat das mit Ihnen zu tun?
Das Gebetsbuch für Unternehmensberater scheint einen Artikel zu enthalten, in dem steht, dass aus Visionen des Unternehmens auch die Zielvereinbarungen für die Mitarbeiter abgeleitet werden können und sollen. Das kann funktionieren. Bei Greenpeace zum Beispiel, oder bei einem Schreiner, der am Ende zu Recht stolz vor einer perfekt eingepassten Treppe steht. Aber haben Sie persönlich wirklich etwas davon, wenn der EBIT um 10% steigt? Ziele des Unternehmens sind nicht zwingend auch Ziele der Mitarbeiter.
4. Wofür steht die Zielerreichung für Sie? Was ist die Intention hinter dem Ziel?
Das ist hochgradig individuell, Möglichkeiten gibt es viele: Anerkennung, selbst mit sich zufrieden sein zu wollen, Kenntnisse erweitern. Dann brauchen Sie im Kopf aber nicht die 10% EBIT-Steigerung, denn dann geht es um etwas anderes. Wenn das für Sie in Ordnung ist: prima.
Vielleicht bleibt aber auch nach einem Lob Ihrer Organisation der Verdacht, es läuft so ähnlich wie bei den Bonus-Karten?
Bonuskarten versprechen Ihnen tolle Vorteile, leben aber gut von der Preisgabe Ihres Kaufverhaltens, weil dieses weit mehr wert ist, als ein 10%-Rabatt bei der nächsten Online-Bestellung. Wenn Sie das erkennen, sind Sie dem System nicht mehr hilflos ausgeliefert, sondern blicken hinter die Struktur. Das ändert vielleicht nichts an der Benutzung der Bonuskarte − aber am Gefühl beim Bezahlen.
5. Wollen Sie das wirklich?
Überlegen wir mal: kann es sein, dass Sie gar nicht mit dem Wunsch nach Erfolg geboren wurden? Dass er Ihnen eingepflanzt wurde von Eltern, Ehe- oder Sexualpartnern, der „Gesellschaft“ um Sie herum? „Du musst weiterkommen, dich mehr reinhängen.“ Meist dient das auch der Befriedigung Ihrer Umgebung.
Alternativ gäbe es auch noch die Angst: „Ich will das Haus gut bezahlen können, im Alter nicht mittellos sein.“ Angst treibt uns ebenfalls an, aber mit negativer Energie. Sich zu lösen ist oft aufwändiger, als den Zustand zu realisieren, genau anzuschauen und abzuwägen, ob Änderungen herbeigeführt werden sollen. Um sich darüber klar zu werden, empfiehlt sich oftmals der Besuch bei einem gut ausgebildeten Coach, denn es erfordert eine gute Fähigkeit, mit sich selbst ins „Gericht“ zu gehen.
6. Welche Rolle hat der Zufall für den Erfolg?
Der Nachrichtensender N24 hat nachgerechnet: Unter den zehn reichsten Menschen der Welt aller Zeiten sieht der Sender vier Amerikaner, die alle zwischen 1794 und 1863 geboren waren. Der Zufall, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, hat mehr Einfluss, als wir glauben wollen. Natürlich geht es den meisten Menschen mit dem Erbringen eigener Leistungen besser, als mit dem Warten auf Zufälle oder dem Dienst nach Vorschrift. Dazu brauchen sie Zutrauen, Handlungsspielräume und ja, gern auch klar beschriebene und annehmbare Ziele.
Als Führungskraft sind Sie in der Verantwortung der Formulierung und Vereinbarung. Achten Sie dabei auf die oben beschriebenen Stolpersteine und, soweit Sie die Ziel- und Motivationssysteme Ihres Unternehmens beeinflussen können, bringen Sie sich ein.
Als Mitarbeiter können Sie jedenfalls für sich prüfen, wie die Zielsysteme des Unternehmens Ihre Denkweise und Handlungen beeinflussen. Auch das Bewusstsein darüber ändert schon etwas. Und wenn es gelungen ist, damit ein wenig Nachdenklichkeit und auch Leichtigkeit zu erzeugen, haben Sie bereits viel gewonnen.
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