Frauenkarrieren: Klischees kennen und überwinden
Prof. Dr. Brigitte WitzerZum ProfilJa, es gibt sie, die gläserne Decke. Der Begriff steht für das Ausbremsen qualifizierter Frauen, die kaum in die Top-Positionen von Unternehmen vordringen und spätestens in der mittleren Management-Ebene stecken bleiben. Die gläserne Decke ist zwar ein Klischee, aber trotzdem vorhanden. Zur Gefahr wird das Phänomen immer dann, wenn Frauen es ignorieren. Da hilft nur eins: Raus aus dem Prinzessinnen-Modus und Erfolgsmuster im Unternehmen analysieren und nutzen lernen.
Natürlich haben wir sie, die fast 100-prozentige Männerquote. Es wird immer wieder mit den alten Biologismen argumentiert und entsprechend unterstellt, in jeder Frau rufe nicht nur die Mutter, sondern zwangsläufig folge auch die Familienpause.
Damit nicht genug. Hinzu gesellt sich noch der altbekannte „Gender trouble“, den die meisten von uns kennen und nicht mögen: Die präzise Orientierung von Frauen am männlichen Auftreten. Vom Hosenanzug über die Rhetorik bis hin zum Status-Gehabe. Role model Mann lässt grüßen.
Das einzige heute akzeptierte und vielfach nachgemachte Import-Produkt aus dem engen Kanon traditioneller Frauenleben ist der Fleiß. Und gerade der bringt uns alle bestenfalls zu guten Noten, aber sicher nicht nach oben, an die Macht. Denn Fleiß ist ein Mittel, um Haushalt und Familie unter einen Hut zu bekommen, aber keinesfalls eines, mit dem Potenziale oder eigene Bedürfnisse gelebt werden können. Und schon gar keines, mit dem sich Macht, Strategie und Visionen gestalten lassen.
Vorurteile anerkennen – Analysen durchziehen
Was also tun? Meine Erfahrung sagt: Akzeptieren Sie, dass es genau diese Klischees und Vorurteile wirklich gibt. Schauen Sie hin und finden Sie heraus, wie Ihr Arbeitsumfeld damit durchsetzt ist. Forschen Sie! Schauen Sie sich folgende Punkte für zwei bis drei Wochen an und finden Sie heraus, wo Ihre blinden Flecken liegen.
– In Sachen gläserne Decke: Wer hat diese Decke durchbrochen? Wie ist das gelungen? Welche Männer sind wirklich oben, welche wollen hoch? Wer sind ihre Mitbewerber um die Plätze an der Macht? Hören Sie sich die Geschichten des Erfolgs an, die gern erzählt werden. Was ist in den Zimmern der Macht attraktiv, interessant, anregend – und ausbaufähig, veränderbar, gestaltbar?
– Zu den Biologismen: Frauen wollen Mütter sein und dann auch zuhause bleiben, so oder ähnlich lautet die Unterstellung. Wie sieht es bei Ihnen aus? Gibt es gute Gegenbeispiele? Welche Männer sind zuhause geblieben? Wir alle wissen, dass sich unsere Welt durch Kultur erschließt, nicht durch Biologie. Wir haben viel mehr Möglichkeiten, können Vielfalt leben – das gilt auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
– Zum Gender Trouble: Werden in Ihrem Unternehmen Frauen eher geschätzt, wenn sie sich männlich kleiden? Werden Sie für Präsentationen eher anerkannt, wenn Sie einen Hosenanzug tragen? Welche Erfahrungen machen Sie mit weiblicher Kleidung, weiblichem Auftreten und den typisch Unterwerfungsmustern wie dem „Lächelreflex“, dem leicht geneigten Kopf? Welche Kleidung führt zum Erfolg – die sexy Bluse oder eher das konservative Kostüm? Finden Sie heraus, welche Erfolgsmuster andere Frauen nutzen.
– Achtung, Fleiß: Überprüfen Sie erfolgreiche Führungsmänner: Wie verbringen diese ihre Zeit? Lesen Sie die „Aufgaben eines Vorstands“ nach. Für Krisen bereit stehen, die Nerven und einen kühlen Kopf bewahren – all das sind keine Fleißaufgaben und trotzdem gehören sie meist zur Jobbeschreibung. Eine Ebene tiefer ist Fleiß auch eher hinderlich. Probieren Sie es mit männlichen Konzepten: Können Sie auch eine Vision entwickeln, z. B. für Ihren Arbeitsbereich oder Ihr Produkt? Wie sieht eine erfolgreiche Strategie aus? Fleiß ist nicht funktional. Üben Sie Zielklarheit und ein diszipliniertes, kluges Vorgehen auf Ihrem Weg zum Ziel.
Anschließend analysieren Sie, alleine oder gemeinsam mit einem Karrierecoach. Schärfen Sie immer wieder Ihren Blick und versuchen Sie, diese Erfolgsmuster für sich zu nutzen. Nur so wachen Sie aus einem möglicherweise vorhandenen Prinzessinnen-Schlaf auf. Denn die dem Märchen entlehnte Rolle der Prinzessin bindet Frauen im Beruf in unpassender Naivität und erlernter Hilflosigkeit. Also heißt es:
Raus aus dem Prinzessinnen-Modus
Prinzessin sein ist eine Rolle, die einzig und allein auf den „Mann mit Potenzial“ zugeschnitten ist. Sie sichert alles, um diesen Mann zu erhalten: Sie macht uns singulär (und reduziert so den Wettbewerb, schließt andere Frauen aus), sie isoliert uns (und so freuen wir uns über seine Zuwendung besonders), sie lässt uns den Blick von außen üben.
Dieses Prinzessinnen-Verhalten sitzt tief. Schwach sein, ein Leben lang dekorativ sein. Diese Sozialisierung führt auch beruflich in die Irre. Überprüfen Sie einmal, ob Sie Ihren Job nur genommen haben, weil der oder die Vorgesetzte so charismatisch ist! Das ist eine der Fallen aus dem alten Rollen-Verhalten: Wir suchen nicht den Raum für unsere Talente, sondern den inspirierenden Vorgesetzten. Das führt unweigerlich dazu, dass wir uns nach anderen richten und unsere eigenen Fähigkeiten und Ziele hinten anstellen.
Was noch hilft
Zwei Dinge helfen auf dem Weg nach oben: Das erste ist ein erfolgreicher Mentor – gleich welchen Geschlechts. So wachen Sie auf, bekommen Klarheit und einen nüchternen Blick auf die nächste Karriere-Stufe oder auf echte Optionen. Also, nichts wie rein ins Mentoring-Programm Ihres Unternehmens! Wenn es das nicht gibt, machen Sie sich selbst auf die Suche nach einem Coach.
Und das zweite sind die Spielregeln des Erfolgs. Dazu gibt es erstens Bücher, lesen Sie sie. Analysieren Sie zweitens, welche Spielregeln in Ihrem Unternehmen gelten. Wenn Sie diese verstanden haben, wird Ihnen klar werden, welche Wege Sie gehen müssen, um ans Ziel zu gelangen.
Wenn Sie mit solchen Themen Ihre Zeit verbringen, dann übernehmen Sie echte Verantwortung für sich, für Ihre Karriere, Ihren Erfolg. Und Sie können sehr gut planen, wann und wie Sie Familie und Karriere unter einen Hut bringen. Bleiben Sie realistisch, leben Sie Ihre Träume! Und genießen Sie beides.