Wie Sie sich nicht von „Berater-Gurus“ bluffen lassen
Warum bin ich nicht so bekannt und erfolgreich wie der Berater x oder der Vortragsredner y? Das denken Berater, gleich welcher Couleur, oft und merken dabei nicht, dass sie sich nur von der Selbstinszenierung ihrer angeblich so erfolgreichen Berufskollegen bluffen lassen.
Wie viele Päpste gibt es? Richtig einen – zumindest in der katholischen Kirche. Anders ist es im Beratermarkt. Dort tummeln sich Dutzende von Päpsten. Für fast jedes Trainings- und Beratungsthema gibt es inzwischen mindestens einen, der sich selbst an die Spitze erhebt.
Wobei für diese Würdenträger gilt: Im Gegensatz zum katholischen Oberhaupt haben sie sich alle selbst ernannt. Dasselbe gilt für die zahllosen „führenden Experten für …“, die als Berater, Trainer oder Vortragsredner ihr Geld verdienen. Auch bei ihnen weiß niemand: Wer schrieb ihnen das Attribut „führend“ zu? In der Regel waren sie es selbst.
Der Beratermarkt: auch ein Markt der Eitelkeiten
Der Beratermarkt ist auch ein Markt der Eitelkeiten – das wissen alle Insider. Ebenso, dass manche Berater im Lauf ihrer Berufsjahre ein sehr ausgeprägtes Ego entwickeln – ähnlich wie manche Lehrer, der Tag für Tag als Autoritätsperson vor seinen Schülern steht. Und weil diese Personen nur selten kritisches Feedback erhalten, denken sie irgendwann auch nicht mehr daran, sich selbst kritisch zu betrachten. Mit einem entsprechenden Habitus treten manche Berater auf, und entsprechend vermarkten sie sich.
Doch Vorsicht, das ist gefährlich! Denn ganz gleich – wie lächerlich solche Selbstattributionen wie „…-Papst“ oder „der weltweit führende Experte“ zuweilen wirken, dahinter steckt meist eine Strategie, die darauf abzielt, Marktbarrieren für Mitbewerber zu errichten. Entsprechend massiv sollten Berater gleich welcher Couleur gegen solche Versuche der Selbsterhöhung von Berufskollegen vorgehen – sobald sie diese registrieren.
Gewusst wie
Angenommen ein Berater schreibt auf seiner Webseite, er sei „die Nr. 1 im Vertrieb“. Dann sollte der Mitbewerber ihn anrufen und bitten, diese Aussage von seiner Webseite zu nehmen. Und wenn das nichts fruchtet? Dann könnte eine Abmahnung, wegen unlauteren Wettbewerbs, über einen Anwalt wirkungsvoller sein. Denn wenn ein Berater von sich behauptet, er sei die Nummer 1 im Vertrieb, dann können seine Mitbewerber bestenfalls die Nummer 2 sein. Also abmahnen! Dasselbe gilt, wenn ein Berater behauptet, er sei „der führende Experte für …“. Vergleichende Werbung ist zwar erlaubt, doch sie muss anhand von Zahlen, Daten und Fakten belegbar sein. Und das dürfte fast allen „führenden Experten“ schwerfallen.
Doch einen Grund zur Panik sind die lauten Mitbewerber-Töne nicht, denn die meisten selbsternannten „führenden Experten“ verfügen nicht über ein echtes Expertenprofil und weil sie ihre angebliche Kompetenz biografisch nicht unterfüttern können, greifen sie oft zu solchen Selbstattributionen. Insofern sind sie auch ein Zeichen der Hilflosigkeit. Die echten Größen im Beratungsmarkt haben das nicht nötig. Das wissen auch erfahrene Weiterbildungs- und Beratungseinkäufer.
Nicht jede Selbstaussage für bare Münze nehmen
Trotzdem dienen die Lautsprecher der Szene Trainern und Beratern, Vortragsrednern und Coaches immer wieder als Vorbilder. Sie merken nicht, dass sie letztlich nur von deren Selbstvermarktungs-Fassade bluffen lassen. Verkündet zum Beispiel ein Berater, sein Tageshonorar betrage 10.000 Euro, oder ein Vortragsredner, er erhalte für das Halten seines Standardvortrags dieselbe Summe, dann nimmt dies manch ein Kollege für bare Münze. Dabei ist diese Aussage ein Teil ihrer Vermarktungsstrategie. Wahr ist: Mindestens 95 Prozent der selbsternannten „Top-Speaker“, die durch Stadthallen touren, kann man für einen Bruchteil ihres offiziellen Tagessatzes buchen – Gründe, warum sie „ausnahmsweise“ von ihren normalen Sätzen abweichen, gibt es viele.
Ebenso gern verkünden die Berater-Idole, sie gäben keinen Cent für Werbung aus. Sie hätten dies aufgrund ihrer Marktposition nicht nötig; genügend Aufträge bekämen sie auch so. Auch das glauben viele Kollegen. Doch auch hier sind Zweifel angesagt: Zwar stimmt es, dass diese Berater in der Regel keinen Cent für Anzeigen ausgeben. Trotzdem buttern sie Jahr für Jahr hohe fünf- oder gar sechsstellige Eurobeträge in ihr Marketing – für das Schreiben-lassen von Büchern und Artikeln, für das Drehen-lassen von Kurz-Videos für ihre Webseite und YouTube, für das Füttern-lassen der Social-Media-Kanäle, für das Sich-Vermarkten-lassen durch Redneragenturen und Seminarbroker. Von Nichts-kommt-nichts, das wissen gerade die Flaggschiffe in der Berater- und Speakerszene genau. Entsprechend tief greifen sie in der Regel in ihr Portemonnaie, um sich zu inszenieren und zu profilieren.
Bekanntheit nicht mit Erfolg gleichsetzen
„Wir wollen alle reich und sexy werden“, beschrieb Ex-Außenminister Joschka Fischer einmal seine Motivation. Dies gilt auch für viele Berater. Sie wollen irgendwann keine No-names mehr sein, die fast niemand kennt – selbst wenn sie finanziell ein gutes Auskommen haben. Sie wollen öffentliche Anerkennung. Ein verständlicher Wunsch, ein menschlicher Wunsch – und jeder kann darauf hinarbeiten, dass er Realität wird. Doch auf dem Weg dorthin sollte sich kein Berater vom Habitus derjenigen blenden lassen, die es angeblich bereits geschafft haben.
Und keinesfalls sollte er dem Trugschluss erliegen, Bekanntheit in der Beraterszene mit wirtschaftlichem Erfolg gleichzusetzen. Denn diese beiden Faktoren gehen oft nicht Hand in Hand. Davon könnte manch „Lichtgestalt“ in der Beraterszene ein Lied singen, tut es aus verständlichen Gründen aber nicht. Manch ein No-name, dessen Namen in der Beraterszene kaum jemand kennt, der aber bei seinen Zielkunden gut verankert ist, hat am Jahresende ein praller gefülltes Bankkonto als besagte „Erfolgstrainer“ oder „Top-Keynote-Speaker“. Denn Aufträge erhalten Trainer und Berater, Business-Coaches und Vortragsredner in der Regel immer noch von Unternehmen – und nicht von den Kollegen, die zu ihnen aufschauen und sie bewundern. Auch deshalb sind die Selbstdarsteller in der Beraterszene meist Einzelkämpfer und nicht Inhaber größerer Beratungsunternehmen.
Zum Autor: Dieser Artikel ist Teil einer Kooperation mit Bernhard Kuntz, Geschäftsführer der PRofilBerater GmbH, Darmstadt, die Trainer, Berater und Coachs bei ihrer Selbstvermarkung unterstützt. Er ist u. a. Autor des Marketing-Ratgebers „Die Katze im Sack verkaufen“und „Fette Beute für Trainer und Berater“.