Wie sollten Führungskräfte auf depressive Mitarbeiter reagieren?
Depressionen als Erkrankung sind so alt wie die Menschheit selbst. Erst langsam wächst aber ein Bewusstsein in deutschen Unternehmen, dass es dieses Krankheitsbild auch in den eigenen Reihen gibt und welche Problematik es mit sich bringt. Vor allem Führungskräfte fühlen sich angesichts eines depressiven Mitarbeiters häufig überfordert. Wie also sieht der richtige Umgang mit erkrankten Betroffenen aus und wie verhalten Sie sich als Führungskraft angemessen?
Rund 322 Millionen Menschen litten im Jahr 2015 weltweit an Depressionen, so das Ergebnis einer Studie der WHO – das entspricht etwa 4,4 Prozent der Weltbevölkerung (Quelle: Deutsches Ärzteblatt). Prinzipiell gibt es die Depression als Erkrankung wohl schon seit der Entstehung der Menschheit und sogar bei Tieren ist das Störbild bekannt. Bereits im antiken Griechenland gab es die Diagnose der „Melancholie“ und der deutsche Schriftsteller Jean Paul prägte im 18. Jahrhundert den Begriff des „Weltschmerzes“. Dennoch lassen die Zahlen der WHO einen Anstieg bezüglich der Depressionen erkennen: Im Jahr 2005 waren es noch rund 18 Prozent weniger Fälle. Dies mag einerseits an dem wachsenden Bewusstsein um die Krankheit und dadurch einer häufigeren Diagnostizierung liegen, andererseits gibt es aber tatsächlich Faktoren, die vor allem in der westlichen Welt zu einer steigenden Häufigkeit der Erkrankung führen.
Deutsche Unternehmen brauchen einen „Notfallplan“
Es handelt sich also um ein Problem, das zumindest vorerst bleiben und an Bedeutung gewinnen wird. Kaum ein deutsches Unternehmen wird nicht früher oder später von dem Thema Depressionen bei Mitarbeitern betroffen sein. Führungspersonen können davon ausgehen, dass durchschnittlich 4,4 Prozent ihrer Mitarbeiter depresssiv sind. Bislang fehlt es leider flächendeckend an der entsprechenden Expertise, um die Krankheit erkennen und richtig damit umgehen zu können. Führungskräfte benötigen also eine Art Leitfaden im Umgang mit depressiven Mitarbeitern. Empfehlenswert wäre ein einheitlicher „Notfallplan“ als Handlungsempfehlung auf Unternehmensebene. An dieser Stelle gibt es in den meisten deutschen Firmen aber noch großen Nachholbedarf. Bis es also so weit ist, steht die Frage im Raum: Wie sollten Führungskräfte auf Depressionen bei Mitarbeitern richtig reagieren?
Umgang mit Depressionen: Leitfaden für Führungskräfte
Als Führungskraft gestaltet sich der Umgang mit Depressionen bei ihren Mitarbeitern auf zweierlei Ebenen:
1. Erst einmal müssen sie die Erkrankung erkennen und sich ein Wissen um das Krankheitsbild aneignen.
2. An zweiter Stelle gilt es, den richtigen Umgang mit den Betroffenen zu finden, um sowohl personelle als auch wirtschaftliche Interessen im Unternehmen zu wahren.
Es gibt durchaus Mitarbeiter, die mit ihrer diagnostizierten Erkrankung offen umgehen und Sie als Führungskraft über ihren Gesundheitszustand informieren. Allerdings ist auch die Dunkelziffer jener Mitarbeiter hoch, die ihre Depressionen verheimlichen oder vielleicht sogar selbst noch nicht erkannt haben. Eine Depression macht sich häufig durch sozialen Rückzug bemerkbar. Der Betroffene wird in sich gekehrter, beteiligt sich weniger an Diskussionen, bleibt immer häufiger dem Arbeitsplatz fern. Depressive Personen wirken häufig gestresst, lustlos und gereizt, wenn sie auf die Veränderungen ihres Gemütszustandes angesprochen werden. In einigen Fällen drohen die Mitarbeiter sogar direkt damit, zum Arzt zu gehen und sich krankschreiben zu lassen.
Das „H-I-L-F-E“-Konzept im Umgang mit psychischen Erkrankungen
Für Führungskräfte besteht die Problematik bei depressiven Mitarbeitern häufig darin, dass deren Leistung merklich abfällt. Eine Kündigung ist in der Regel weder das Ziel noch rechtlich möglich. Wünschenswert wäre es stattdessen für beide Seiten, dass dem Mitarbeiter die benötigte Hilfe bereitgestellt wird, damit er schnellstmöglich genesen und wieder die gewohnte Leistung erbringen kann. Aber wie? Im Rahmen des Führungskräftecoachings findet hierbei das „H-I-L-F-E“-Konzept Anwendung:
– Hinsehen: Sollten Ihnen als Führungskraft die beschriebenen Veränderungen aufgefallen sein oder Sie machen sich aus anderen Gründen Sorgen um den Mitarbeiter, suchen Sie das Vieraugengespräch. Thematisieren Sie die Problematik, zeigen Sie Verständnis und entwickeln Sie gemeinsam Strategien zum weiteren Vorgehen.
– Initiative ergreifen: Denkbar sind weitere Gespräche mit einem Experten oder Arzt ebenso wie individuelle Therapiemöglichkeiten für den Mitarbeiter. Wichtig ist, dass Sie als Führungskraft das Thema erst als „erledigt“ betrachten, wenn der Betroffene tatsächlich genesen oder zumindest psychisch stabil und in professioneller Behandlung ist. Sollten Sie hingegen keine Fortschritte erkennen, ergreifen Sie so lange und häufig die Initiative, bis der Mitarbeiter zur gemeinsamen Suche nach einer Lösung bereit ist und sich zum Beispiel in Psychotherapie, eine medikamentöse Behandlung oder auch eine Selbsthilfegruppe begibt.
– Leitungsfunktion wahrnehmen: Beobachten Sie die Situation am Arbeitsplatz und „geleiten“ Sie den erkrankten Mitarbeiter durch den Berufsalltag. Das bedeutet: Führen Sie regelmäßige Gespräche und finden Sie heraus, welche Arbeitslast in der aktuellen Situation angemessen ist, welche Ziele der Mitarbeiter erreichen kann oder welche nicht und wie Sie überfordernde Aufgaben für den betreffenen Zeitraum verlagern können. Finden Sie zudem gemeinsam heraus, wie Sie und das Team den Mitarbeiter in dieser schwierigen Zeit optimal unterstützen können.
– Führungsverantwortung: Als Führungskraft ist es Ihre Aufgabe, alle Mitarbeiter angemessen zu fördern sowie zu fordern – auch Betroffene von Depressionen. Besonders wichtig – aber nicht nur – ist das, wenn der Arbeitsplatz ein Mitgrund für die Erkrankung ist, vielleicht sogar der Hauptgrund durch ständige Überlastung oder Mobbing. Finden Sie daher für den Mitarbeiter die passenden Perspektiven und sorgen Sie dafür, dass er Erfolgserlebnisse verzeichnet. Solch kleine Maßnahmen können bereits große Wirkung zeigen.
– Experten: Eignen Sie sich zudem die notwendige Expertise zum Thema an, denn die Wahrscheinlichkeit, dass Sie in Zukunft erneut von Depressionen bei Mitarbeitern betroffen sein werden, ist sehr hoch. Beziehen Sie zudem gerne Experte für den individuellen Fall mit ein oder stellen Sie den Kontakt zu internen sowie externen Helfern für den Betroffenen her.
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